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[audio: https://www.enoughtalk.de/podcast/enough-talk-012-ach-wuerfel-dir-doch-einen.mp3]Wer öfter unsere kurzen geistigen Ergüsse zum Thema Filmkultur verfolgt, hat sicher schon von meinen (heißt: René’s) schulischen Mathe-Traumata gehört…zwangsweise. Wir haben ja bei Enough Talk! einen gewissen, penetrant-wiederkehrenden Mitteilungsdrang. Und mit wir, meine ich zu 80% mich.
Was soll ich sagen, der Scheiß hat mich gekillt. Algebra, Analysis und vor allem: Geometerie. „Geometrie…? Das bisschen Dreiecke malen?“ fragt ihr. Nun, liebe Freunde: Geometrie beinhaltet die furchterregendste Form, die der Mensch sich ausgedacht hat: Den Kubus. Von vorne wie von hinten, von oben wie von unten, grausam ausweglos in seiner perfekten Gleichmäßigkeit. Hollywood sieht es übrigens genauso. Ich sage STAR TREK, sage Borg, sage „Widerstand ist zwecklos“! Und der verdammte Rubiks-Würfel ist doch auch nur dafür da, uns vorzuführen, dass wir leider ein bisschen blöder sind als erhofft. Merkt ihr selbst, ne?
Die ultimative Verfilmung des gleichkantigen Grauens liefert jedoch unser heutiger Beitrag für den cineastischen Äther: Vincenzo Natalis Geometrie-Schocker von 1997: CUBE. Meisterhafte Tonalität, interessante Charakterdarstellungen, blanker Horror und ein weiteres Beispiel dafür, dass man aus unglaublich wenig Ressourcen unglaublich viel Film machen kann. Das Ding hat Arne und mich in unserer filmtechnisch verletzlichsten Lebensphase hart getroffen und positiv verstört. Dass das gute Grüne und der gute Tropfen damals eifrig im Kreis gingen, hat damit natürlich genauso wenig zu tun, wie meine akute Mathephobie.
Ihr merkt also: es gab wieder viel zu erzählen, und neben reichlich Teenager-Reminiszenzen kam natürlich auch der enoughtalk-immanente Stumpfsinn am Anfang nicht zu kurz.
Viel Spaß mit diesem Kammerstück im 90-Grad-Winkel. Alea iacta est.
Trailer © by Highlight DVD / VCL
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Timecodes der Sendung:
00:00:00 Begrüßung incl. Reboot-Plänen
00:03:28 Allgemeines und Danksagung (incl. Hörer-Beleidigung)
00:06:45 Ein rätselhafter Einstieg in René’s Mathematik-Fails (und die CUBE-Besprechung)
00:09:42 Wir haben eine Historie mit dem Film
00:16:08 Wir fangen an, den Film nachzuerzählen (aka: Worum es geht?)
00:20:47 Leistung und Reiz der Reduktion
00:25:10 Der Stil von Vincenzo Natali (incl. CYPHER & NOTHING)
00:33:50 Welche Figuren-Tropes haben wir?
00:44:50 Exkurs: Effektqualität und Budget-Nutzung
00:47:20 Weiter mit den Figuren
00:50:05 Gutes Timing in Character-Arcs und Plot-Fortschritt
01:05:38 Gelegentlich wackelt die suspension-of-disbelief
01:09:51 Klettermaxe an der pseudo-Liane (aka dämlichste Szene des Films)
01:13:19 Restlicher Plot des Films (incl. Primzahl-Exkurs)
01:23:15 Symbolik des Endes und generelle Interpretation
01:30:12 Gesellschaftliche Allegorien…
01:37:00 …und moralische Fragen
01:40:00 Audiovisuelle Qualitäten und durchwachsene Kameraführung
01:48:02 Stark, was Natali aus 300.000 Dollar rausholt
01:55:45 Exkurs: Warum SHARKNADO Müll – nicht Trash! – ist!
02:00:10 Tonwechsel im Film teilweise etwas krude
02:02:57 Verabschiedung
Der Audio-Platzhalter, welcher im Podcast Schnitte markiert, stammt aus CONAN, DER ZERSTÖRER (Amazon Partner Link). Das Copyright liegt bei 20th Century Fox.
Wie üblich ist es mal wieder spannend, wie unterschiedlich Filme auf Menschen wirken. Ich habe CUBE vor 10+ Jahren (und vielleicht noch einmal danach) gesehen und fand den ganz nett. Das war’s. Da hat mich wirklich nichts sonderlich stark beeindruckt, weder inhaltlich noch audiovisuell. Natürlich ist es respektabel, dass man mit so wenig Budget einen halbwegs vernünftigen Film auf die Beine stellen kann, aber das Produkt selbst bewerte ich für mich jetzt hauptsächlich davon losgelöst – und in der Hinsicht war es für meinen Geschmack einfach nur ok.
Ich glaube mein Hauptproblem waren die Charaktere. Sowohl schauspielerisch als auch vom Skript her hat mir da einfach keine Figur sonderlich gefallen. Vor allem den Cop fand ich enorm überzogen (das am Ende hat mich echt genervt wo er so völlig durchdreht) und auch die anderen Figuren waren ziemlich platt, was ihr ja auch erwähnt.
Irre find‘ ich aber echt, dass du, Arne, den bei MP immer noch als Lieblingsfilm bezeichnest. Vielleicht benutzt du das Label auch anders als ich (sehr wahrscheinlich sogar) aber wenn ich mir vorstelle, dass ich einen Film wie CUBE als das beste empfinden würde, was ich vom Medium Film so erlebt habe, so ist das von meiner momentanen Filmrezeption schon enorm weit entfernt. Ganz platt gesagt würde ich einfach festhalten, dass man schon etwas mehr bringen muss, um mich zu begeistern. Nochmal: Klar ist der Film in Bezug auf seine Möglichkeiten ganz cool, aber im Vergleich zu einem aufwendig produzierten Film mit vernünftigen Darstellern und einem Setting, dass aus etwas mehr als einem Raum besteht, wirkt er auf mich dann doch etwas mau. Ein kleiner Film mit einer kleinen Idee und für mich auch nur einem kleinen Viewing Plesaure.
Mir kamen diese Gedanken zu Budget und Ausnutzung der Möglichkeiten auch erst später damals. Primär war (und ist) CUBE einer der Filme, die auf irgendeine Weise einen ganz bestimmten Spot in mir ansprechen. Wie im Cast beschrieben, hat der mich damals mehrfach mit Knockout auf die Matte geschickt und ich fand ihn jetzt immer noch unglaublich atmosphärisch und dicht.
Dennoch würde ich da natürlich nie widersprechen, wenn man dem Film Makel und Klischees vorwirft – die hat er, ist sehr B-Movie-mäßig und es macht auch nicht alles Sinn. Ich glaube der Unterschied zwischen uns ist einfach, dass a) ich ihn deswegen nicht automatisch weniger gut finde als einen Film finde der alles richtig macht, weil andere Faktoren diese Schwächen für mich doppelt aufwiegen und b) bei dir die „Scale“ des Gesehenen mehr in die Rezeption und dein Viewing-Pleasure eingeht? Ich erinnere mich da an Aussagen aus der MM:FR Debatte. Da hast du sinngemäß so was gesagt wie: „Ein Film kann mir gar nicht groß genug sein, ich will bombastische Produktionen, es gibt nicht zu viel Action“ und es fielen Formulierungen wie „das Maximum aus dem Medium raus holen“. Natürlich leistet ein Film wie FURY ROAD oder BLADE RUNNER oder TERMINATOR 2 (wahllose Beispiele für bombastische, aufwändige Produktionen) in Bezug auf das, was er einem an Abwechslung, audiovisuellen Impulsen, etc. bietet formell „mehr“ als CUBE. Trotzdem mag ich CUBE genau so gern gucken, weil der Film durch seine Stimmung, etc. in mir trotzdem etwas bzw. eine Menge auslöst(e) – was konkret aber natürlich anders (und nicht vergleichbar), nur ähnlich intensiv ist. Daher auch das Lieblingsfilm-Tag. Am besten wäre es eigentlich, wenn für Filme auf MP (so wie bei Serien, oder z.B. auf Letterboxd) das Herz von der Maximalwertung entkoppelt werden würde. „Lieblingsfilm“ heißt für mich, dass der Film überdurchschnittlich viel in mir auslöst, dass ich ihn immer wieder gerne gucke und er in den Rewatches nicht verliert – das muss aber überhaupt nicht einschließen, dass der Film perfekt ist. Und ich stufe einen Film für das ein was er ist, nicht darüber wie er sich im Vergleich zu anderen Filmen darstellt – das geht doch auch gar nicht, sonst könnte einem ja jeder Low-Budget Film aufgrund seiner geringen Größe schonmal nicht, oder nur ein Bisschen gefallen und jeder Film der aufwändig produziert ist, hätte gleich nen Stein im Brett.
Na ja, ich finde ja eine große Produktion nicht per se besser als eine kleine. Aber ich kann vermutlich schon sagen, dass nur eine große das Potenzial hat, mich wirklich „lieblingsfilmäßig“ zu fesseln.
Für mich ist SUNSHINE z. B. ein Film, den ich auf einem subjektiven Level sehr gerne mag. Der löst auch etwas bei mir aus, was wenige Filme schaffen. Aber dennoch hat der einige miese Charaktere und haarsträubende Plot-Holes. Ich wüsste daher nicht, warum ich den als Lieblingsfilm betiteln sollte, nur weil der gefühlsmäßig bei mir stellenweise sehr stark wirkt. Für mich bedeutet Lieblingsfilm einfach: das beste was ich kenne. Alle meine Lieblingsfilme schaue ich oft und gerne, aber eben weil ich kaum Mängel in ihnen erkenne. Bei SUNSHINE ist das nicht so, obwohl der auch ein gewisses etwas hat. Du hast halt auch um die 50 Werke als Lieblingsfilme, bei mir sind’s eher um die 10. Ich rate einfach härter als du. Wenn ich einem Film ne 8 gebe, bedeutet mir der schon eine ganze Menge. INSOMNIA fesselt mich z. B. auch total, aber der hat eben einen krassen Makel: das Ende. Daher nenne ich den nicht Lieblingsfilm, weil er für mich eben nicht (ansatzweise) perfekt ist, auch wenn ich ihn sehr gerne schaue und er mich auf einem besonderen Level anspricht.
Noch zu CUBE: Ich versteh irgendwie nicht so ganz, wie du sagen kannst, dass die Charaktere schwach sind, dich das aber nicht stört. In einem Film wie CUBE geht es doch fast ausschließlich um die Konstellation der Figuren. Um mal das beste Beispiel zu nehmen: In FURY ROAD finde ich die Charaktere deutlich besser konzipiert und gespielt, obwohl die Figurenqualität für das Gelingen des Films weit weniger wichtig ist.
Ich weiß nicht, ob man CUBE so richtig als Horrorfilm bezeichnen kann, aber aufgrund seiner Probleme habe ich mich jedenfalls noch nie für dieses Genre interessiert. Ich kann fast nie Anteil an dem Schicksal der Figuren nehmen, da es sich so gut wie immer um irgendwelche blassen Gestalten handelt, die langsam um eine Ecke gucken und dann – BUHUHU, da kommt der Geist! Es geht immer nur um das, was passiert, aber selten um den, der es erlebt. Für mich könnten solche Filme nur funktionieren, wenn sie sich enorm stark auf die Figuren fokussieren würden. Bei Actionern ist das für mich anders, da ich an guter Action an sich einfach so viel Spaß habe, dass ich auf andere Aspekte in solchen Filmen viel eher verzichten kann. In THE PROTECTOR geht es um einen Typen, der seinen entführten Elefanten zurückholen will aber da die Action so geil ist, stört mich das wenig. Der hat aber auch echt so geile Action, dass er mit einem großartigen Plot vermutlich sogar THE RAID 2 übertreffen würde. Aber Horror oder Mystery packt mich jedenfalls als Thema in einem Film einfach nicht genug. Daher kann ich, wie mal erwähnt, Hitchcock-Filme auch nur einmal gucken, da ich mich einen verf… Sch… für die Figuren interessiere und ausschließlich die anstehende Auflösung halbwegs mein Interesse am Leben hält. Schauspielerisch gibt’s da zudem auch nichts zu bewundern.
Hast du inzwischen zufällig IT FOLLOWS gesehen? Ich find‘ da z. B. auch total spannend, dass sich so viele Leute anscheinend an dem Subtext über das Erwachsenenwerden oder was auch immer erfreuen können. Ich für meinen Teil seh‘ da einen Haufen blasser Kiddies, die in einer Anhäufung aus Plot-Holes bzw. Verhaltensweisen, die ich nicht verstehe, von einem komischen Monster verfolgt werden. Der Subtext, den ich auch erkenne, gibt mir so einfach gar nichts, da weder das Szenario noch die Figuren in irgendeiner Weise memorable sind. Ich brauche in so einem Film einfach gute Figuren – glaubwürdig, charismatisch oder zumindest einprägsam. Aber nicht irgendwelche Kiddies!
Bei CUBE ist es ähnlich, wenn auch nicht ganz so schlimm, da die Figuren immerhin alle ihren eigenen Sinn haben. Trotz meiner Kritik mochte ich den Film damals schon noch – um mal was Positives zu sagen – aber nochmal gucken müsste ich ihn jetzt nicht unbedingt. Ich muss gerade an Cronenbergs EXISTENZ denken, den ich mit Hannes/Deekin neulich nach Jahren erneut geschaut habe. Der Film hat einige interessante Aspekte, aber die blassen Figuren, der verworrene Plot und die dröge Audiovisualität sind allesamt so anstrengend, das der Film insgesamt einfach nicht sonderlich viel Spaß macht. Ganz ähnlich empfinde ich CUBE. Nette Idee, im Verhältnis zu den Möglichkeiten in gewisser Weise beachtlich/clever inszeniert, aber letztendlich – um es mit Daniel zu sagen – „meh“
Ich glaube hier läuft es wieder stark drauf hinaus, wie eigentlich die Mechanismen in der eigenen Film-Rezeption funktionieren. Was ist einem eigentlich wichtig? Will man immer das selbe von einem Film? Was klassifiziert man überhaupt als Makel? Es geht doch nicht darum, ob isoliert betrachtet ein Fehler vorliegen, sondern ob das Werk in allen seinen Aspekten so rund ist, dass man eine (formelle) Schwäche erst gar nicht als solche empfindet. Hier ist wichtig, was ich formuliere: Ich sage ja nicht, dass in CUBE schlechte Charaktere vorliegen, sondern dass sie Klischee-beladen sind. Das ist ein Riesen (!) Unterschied, denn schlecht würde ja bedeuten, dass sie im Rahmen des Films, keinen Sinn machen, keine Funktion erfüllen, also schlicht nicht aufgehen. Aber das ist überhaupt nicht der Fall! Wie du ja selber schreibst: die Figuren erfüllen im Rahmen des Films eine klare Funktion und sind somit völlig ausreichend für das was Natali erzählen will. Dass sie nun mal Genre-Tropes entsprechen, ist für mich somit einfach nur eine Feststellung, keine Schwäche des Films und erst recht nichts, was mir den Film madig macht. Ich gucke ihn wegend er Atmo, dem Tempo, dem Verlauf der Story, etc. immer wieder gerne. Man muss doch auch (beziehungsweise tue ich das halt automatisch) in seine Rezeption mit einfließen lassen, was genau der Film eigentlich erreichen, auf welchem Level er agieren will. Davon hängt doch auch ab, was ich von ihm erwarte und was er mir liefern muss um im Rahmen seines Settings zu funktionieren.
Und natürlich kann man auf dem Papier ganz gut sagen „dies oder das sind gute Charaktere“, das sind „schlechte Charaktere“, dies oder das sind Filmfehler etc. aber derartige Betrachtung missachtet doch grundsätzlich den gesamten Kontext. Gerade wenn es um einen Lieblingsfilm geht, ist doch nicht die Frage ob er etwas schlecht macht, sondern ob es Aspekte gibt die aus dem Gesamtwerk negativ heraus stechen? Oder ob das Gesamtbild so stimmig ist, dass formelle Schwächen im Endeffekt keine realen mehr sind, weil sie sich nur negativ darstellen lassen,w enn man sie aus dem kontext reißt. Wir hatten das Thema der Gewichtung verschiedener Faktoren im Film ja schon oft und haben ja oft fest gestellt, dass es mir anscheinend weit leichter fällt, lobenswerte Aspekte als ausgleichend, oder überdeckend für vermeintliche Schwächen zu empfinden. Und im Endeffekt läuft es wahrscheinlich drauf hinaus, dass das was für dich die Action ist, für mich Mistery, Horror und undurchsichtige Stimmungen sind. Hier erfreue ich mich einfach enorm an dem klaustrophobische Setting, an der dubiosen Wolke der Unkenntnis, die die ganze Zeit über den Figuren schwebt und auch an der audiovisuell in meinen Augen extrem starken Inszenierung (toller Score, interessante Kamera, die Art wie viel aus wenig herausgeholt wird). Das ist dann wohl einfach persönliche Präferenz, und gerade da werden doch die Weichen gelegt, wo unter Umständen Lieblingsfilme zu finden sind. Ein Lieblingsfilm muss vor allem eine Wirkung auf mich haben die andauert, beim wiederholten Schauen aufrecht erhalten wird und sich im Optimalfall sogar noch intensiviert. Ich gehe mal davon aus, dass du bei guter Action auch einfach vollkommen begeistert bist, vollkommen drin bist und nicht vor dem Fernseher sitzt und dir denkst: „Wow, der Stuntman hat gerade aber wirklich etwas waghalsiges getan“ oder „Wow, die Explosion ist in Radius und Wucht aber wirklich von den Pyrotechnikern exzellent ausgesteuert“, und so weiter. Will sagen: Dass es (im Falle Action) halt die Dynamik der bewegung, die Geschwindigkeit, das Fließen der Choreografie, etc. sind, die primär WIRKEN und erst im zweiten Schritt auch rational hinterfragt und somit auf ihre handwerkliche Qualität hin definiert werden. Sollte das nicht so sein, verstehe ich wirklich nicht, wie du Filme guckst Denn bei mir zumindest besteht direkt erzeugte Begeisterung zunächst ganz sicher nicht aus rationaler Hinterfragung, sondern aus Wirkung in Echtzeit. Im zweiten Schritt kann ich auch analysieren udn begründen, wieso Lynch Innenräume so geil filmt, etc. – beim Schauen zählt aber erstmal die audiovisuell erzeugte Beklemmung.
Wow, hier ist ja mal wieder ein kleiner, aber gesalzener Schlagabtausch zwischen euch beiden im Gange. Eigentlich würde ich mich auch nicht groß einmischen wollen, aber Arne hat mich eingeladen, auch mal meinen Senf zur Lieblingsfilmdebattte abzugeben. Verzeiht also, wenn ich nichs über CUBE zu sagen habe, da meine Sichtung dieses Films mittlerweile über 10 Jahre zurückliegt und ich mich eigentlich nur noch daran erinnern kann, dass er mir damals, in meiner grenzdebilen Adoleszenz, eigentlich ganz gut gefallen hat. Müsste ich bei Gelegenheit mal wieder nachholen, da das Ding wohl auch heute noch in mein Beuteschema passen könnte.
Nun aber zur Lieblingsfilmdebatte:
Ich persönlich mache mittlerweile einen Unterschied zwischen Lieblingsfilmen und Meisterwerken.
Unter einem Meisterwerk verstehe ich einen Film, welcher handwerklich auf nahezu jeder Ebene überzeugt und hintenrum zu einem durch und durch stimmigen Gesamterlebnis führt. Hier waren eindeutig Leute am Werk, die von ihrer Arbeit etwas verstehen und es vollbracht haben, alle Elemente zu einem denkwürdigen, großen Ganzen zusammenzufügen. Auch hat die Bezeichnung ‚Meisterwerk‘ stets etwas von einer öffentlichen Deklaration; man möchte ja gerade kundtun, dass diese Filme es verdient haben, in die Annalen der Filmgeschichte Einzug zu finden, sodass sie selbst für nachfolgende Generationen noch immer Relevanz haben.
Lieblingsfilme hingegen bilden für mich eine zutiefst persönliche Erfahrung. Das sind schlichtweg Filme – und hier stimme ich Arne zu – die beim Einzelnen ein besonderes Erlebnis hervorrufen, das intensiver wahrgenommen wird als bei den meisten anderen Filmen. Jedoch muss der Grund für dieses besondere Erlebnis nicht unbedingt darin begründet liegen, dass es sich um einen handwerklich exzellenten Film handelt. Es ist nur eben eine urtümliche Erfahrung, die in meinen Augen sogar das kritische Bewusstsein, welches zumindest ich bei den meisten Filmsichtungen an den Tag lege, überschreibt, da man von dem Geschehen auf dem Bildschirm gerade derart eingesogen wird, dass man alles andere vergisst.
Das heißt jetzt nicht, dass Lieblingsfilme und Meisterwerke zwei völlig unterschiedliche Formen von Filmen sind. Ein Lieblingsfilm kann zugleich auch ein absolutes Meisterwerk der Filmgeschichte sein. Nur sind die Vorzeichen und der Grund, warum man diesen Film schaut, anders. Zur Zeit drücke ich das gerne in einer Metapher aus: Lieblingsfilme und Meisterwerke sind wie Katze und Uhrwerk. Das Uhrwerk kann man stets für seine filligrane, mechanische Konstruktion bewundern und dabei regelrecht genießen, wie jedes Teil zur Funktion des großen Ganzen beiträgt. Eine Katze – insofern ein Haustier – schmiegt sich regelrecht an dich bzw. du hast sie über die Jahre in dein Herz geschlossen. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieses Tier nur drei Beine oder ein abgebissenes Ohr hat, du liebst sie trotzdem für das, was sie ist und was sie für dich bedeutet. Natürlich kann man auch den biologischen Organismus dieses Tieres in seine Einzelteile zerlegen und bewundern, wie jedes Organ mit den anderen zusammenspielt, um das große Ganze am Leben zu erhalten. Aber das hat nichts damit zu tun, warum man diesen flohverseuchten Bettvorleger so gern hat.
Im Klartext bedeutet das: Lieblingsfilme sind für mich Filme, welche am ehesten meine persönlichen, subjektiven Präferenzen widerspiegeln. Meisterwerke hingegen sind Filme, von denen ich überzeugt bin, dass auch andere Leute diese problemlos für das schätzen können, was sie sind, weil sie in bezug auf generell anerkannte, filmische Maßstäbe wunderbar funktionieren. Ich selbst lege deswegen überhaupt keinen Wert darauf, meine persönlichen Lieblinge als große Meisterwerke zu verkaufen. Ich bin zwar nicht hundertprozentig sicher, doch wahrscheinlich habe in bezug auf ROAD WARRIOR, PRINZESSIN MONONOKE oder THE OTHERS nie von Meisterwerken gesprochen (allerhöchstens von Gesamtkunstwerken). Mir persönlich ist es eigentlich vollkommen scnuppe, was andere als Meisterwerk krönen und was nicht; ich konzentriere mich lieber auf das, was ich selbst aus Filmen herausholen kann und wie diese auf mich wirken.
Was jedoch die Frage anbelangt, ob Lieblingsfilme zugleich auch Werke von hoher filmischer Qualität sein müssen, so muss ich mich dieses Mal Tamino ein wenig annähern. Ich behaupte zwar nicht, dass ausschließlich handwerkliche Perfektion einer 10 mit Herz würdig ist. Doch gerade, wenn man selber interessiert an Filmen ist und viel über diese schreibt, so spielen die eigenen Ansprüche schon eine Rolle. Damit ein Film wirklich bei jemanden eine derartige Wirkung hinterlässt, welche das Prädikat ‚Lieblingsfilm‘ gewinnt, darf dieser nicht komplett stümperhaft daherkommen (Trash wie STORY OF RICKY mal außen vor gelassen). Zumindest irgendetwas muss ein solcher Film schon richtig machen, irgendein Element muss derart überzeugen, dass es die meisten anderen Filme übertrifft. Bei Arne scheint das im Falle von CUBE das besondere Pacing und die Atmosphäre zu sein. Bei mir persönlich sollte ein Film auch nicht zu sauer aufstoßen: Zuweilen würde ich ja auch gerne DREDD als Lieblingsfilm bezeichnen, aber im Laufe des Films sammeln sich so viele Negativ-Punkte an, dass die besondere Erfahrung, welche der Film für mich darstellt, am Ende doch ein ganzes Stück geschmählert wird.
Schließlich stellt der Diskurs über Lieblingsfilme jedoch dahingehend ein Problem dar, dass man über sie nur bedingt reden kann. Bei Meisterwerken ist das kaum ein Problem, da die Qualitäten, die man an dem Film festmacht, zumeist über die individuelle Subjektivität hinausgehen und von vielen geteilt werden. Was jedoch bei einem Menschen eine besondere, persönliche Erfahrung hervorruft, kann jemand anderen völlig kalt lassen, insbesondere wenn der besagte Film von den meisten eher als mäßig eingestuft wird. (Was bei einem charmanten B-Movie wie etwa COMMANDO mal schnell der Fall sein kann). Insofern finde ich es dann auch eher faszinierend, wenn Leute mir nachvollziehbar beschreiben können, warum sie X als Lieblingsfilm haben, sodass ich verstehen kann, was dieser für sie bedeutet, anstatt sich rechtfertigen zu müssen, warum es sich hier um ein kongeniales Werk handelt. (Ich kann hier ja gerne mal auf meinen Kommentar zu AQUARIUS – THEATER DES GRAUENS verweisen, welcher zwar kein Lieblingsfilm ist, aber den ich trotzdem aus persönlicher Sympathie sehr schätze).
Um ein etwas merkwürdiges Fazit zu schließen, würde ich sagen: Lieblingsfilme haben per se in Diskussionen um die besten Filme aller Zeiten nichts zu suchen; stattdessen stellen sie für mich eher einen Spiegel für die ganz persönlichen Dinge dar, die ich in Filmen schätze und liebgewonnen habe. Sie bilden somit vielleicht eine Skizze meines subjektiven Erlebens von Filmen, auch wenn diese für Außenstehende wohl nur dann wirklich einsehbar ist, wenn diese über einen Film exakt genauso denken.
@Arne: Da haben wir ja auch schon einmal darüber gesprochen – Ich habe den damals im Kino gesehen und fand ihn sehr vorhersehbar und die Charaktäre schwach. Und leider hat eure Besprechung auch nicht neues Feuer in mir für diesen Film entfachen können, alles was ihr lobt finde ich irgendwie eher määh … Aber ich höre trotzdem immer gern, wie ihr euch begeistern könnt, das ist das Beste am Enough Talk.